Er sieht aus wie ein schlichtes Schmuckstück, kann aber so viel mehr: der Smart-Ring. Während ähnliche Geräte wie Smartwatches oder Armbänder schon ziemlich verbreitet sind – 2024 nutzte über ein Drittel aller Deutschen eine Smartwatch – ist der Smart-Ring noch weniger bekannt. Trotzdem gibt es ihn mittlerweile von verschiedenen Unternehmen, teilweise im Abomodell, teilweise als Einzelanschaffung. Doch was kann das Tracking-Gadget und für wen könnte sich die Anschaffung lohnen? Ein Überblick:
Was ist ein Smart-Ring?
Bei einem Smart-Ring handelt es sich um ein so genanntes Wearable. Wearables sind smarte Geräte, die am Körper getragen werden – zum Beispiel in Form von Armbändern, Kleidung oder eben als Ring am Finger. Besonders verbreitet sind Smartwatches, mit denen man Anrufe oder Nachrichten entgegennehmen oder Gesundheitswerte messen kann. Daneben gibt es Wearables, die primär dem Erfassen von Gesundheitsdaten dienen.
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Was können Smart-Ringe?
Wie in anderen Wearables sind auch in Smart-Ringen verschiedene Sensoren und Technologien verbaut. Je nach Anbieter unterscheiden sich die Ringe in ihren Funktionen. Manche Ringe können zum kontaktlosen Bezahlen genutzt werden oder auf eingehende Benachrichtigungen hinweisen. Im Vordergrund steht aber das Messen und Erfassen von Gesundheitsdaten.
„Wearables wie Smart-Ringe liefern derzeit vor allem Parameter, die mit physikalischen Sensoren messbar sind“, sagt Prof. Dr. Can Dincer. Er ist Leiter der Professur für Sensors and Wearables for Healthcare der TU München und arbeitet an der Weiterentwicklung von Wearables durch biochemische Sensoren.
Smart-Ringe können mithilfe von Licht- oder Bewegungssensoren verschiedene Informationen sammeln, zum Beispiel:
- Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität,
- Körpertemperatur,
- Sauerstoffsättigung des Bluts,
- Schlafqualität oder die
- Schrittzahl.
Die Auswertung der erfassten Daten findet sich in dazugehörigen Apps auf dem Smartphone. Außerdem können Ringe mit weiteren Apps gekoppelt werden, etwa zur Routenplanung oder für die natürliche Verhütung. Viele Smart-Ringe haben Community-Funktionen, über die man seine Erfolge mit anderen teilen kann. „Ich glaube, das könnte gerade für jüngere Menschen ein großer Anreiz sein“, so Dincer.
Mit der Hilfe von Wearables bekommen Nutzende mehr Kontrolle. Ich glaube, durch Wearables kann unser Leben verlängert werden – wenn man früh genug anfängt, sie zu tragen.
Was unterscheidet Smart-Ringe von anderen Wearables?
Manche Smart-Ringe verfügen zwar über ein kleines Display, doch die vollständigen, gesammelten Informationen lassen sich nur über die zugehörige App auf dem Smartphone abrufen. Ob man das gut oder schlecht findet, ist Typsache. Manche Menschen wünschen sich ein Wearable, mit dem sie telefonieren, Musik hören und auch bezahlen können, andere hingegen möchten von ihrem Wearable möglichst wenig gestört werden.
Experte Dincer nutzt selbst aktuell eine Smartwatch, überlegt aber, sich einen Ring anzuschaffen: „Durch das Display hat die Smartwatch mehr Einfluss auf mich. Ich bin schon mitten in meinen virtuellen Studierenden-Sprechstunden aufgesprungen, weil meine Watch das wollte“, lacht er.
Durch seine Form kann sich ein Smart-Ring auch technisch von anderen Wearables unterscheiden. „Der Ring hat den Vorteil, dass er geschlossen ist. Das ermöglicht eine andere Messmethodik als bei Smartwatches. In Watches basieren die optischen Messsysteme auf Reflexion. Die Ringe können zusätzlich mit Transmission arbeiten“, sagt Dincer.
Transmissionsmessung bedeutet: Licht – oft im Infrarotbereich – wird von einer Seite des Rings durch den Finger zur anderen Seite gesendet. Dabei durchdringt das Licht das Gewebe und die Blutgefäße. „Je nach Blutfluss und Sauerstoffsättigung wird das Licht unterschiedlich absorbiert. Ein Sensor auf der gegenüberliegenden Seite des Rings erfasst dann das durchgelassene Licht“, erklärt der Experte. Diese Methode ermögliche potenziell genauere Messungen als die Reflexionsmethode, da das Licht einen längeren Weg durch das Gewebe zurücklegt und somit mehr Informationen über den Blutfluss und die Blutzusammensetzung liefern kann.
Die geschlossene Form des Rings und der stabile Sitz am Finger tragen laut Dincer zusätzlich zu kontrollierten Messbedingungen bei, was die Genauigkeit der Datenerfassung weiter verbessern kann. Ein Armband oder eine Smartwatch dagegen könnten sich öffnen oder herumrutschen. „Dadurch haben Smart-Ringe das Potenzial, sehr genau zu sein“, sagt Dincer.
Hinzu kommt je nach Typ ein besserer Tragekomfort, besonders in der Nacht. Damit der Ring optimal auf den Finger passt, kann man bei den meisten Anbietern Anprobe-Kits bestellen – so lässt sich vor dem Kauf die richtige Ring-Größe herausfinden.
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Sollte jeder einen Fitness- und Gesundheitstracker tragen?
„Meine Antwort ist definitiv: Ja“, sagt Can Dincer. Er verstehe aber, dass nicht alle Menschen ein Gerät tragen möchten. Die Technik müsse sich noch weiterentwickeln. „Was ich mit meiner eigenen Smartwatch aber auf jeden Fall merke: Ich halte Routinen besser ein.“
Für Dincer sind Wearables wie Smart-Ringe ein gutes Beispiel für proaktive Gesundheitsversorgung („Proactive Healthcare“): Es gehe darum, präventiv auf einen guten Gesundheitszustand zu achten und mögliche Krankheiten zu vermeiden. „Mit der Hilfe von Wearables bekommen Nutzende mehr Kontrolle. Ich glaube, durch Wearables kann unser Leben verlängert werden – wenn man früh genug anfängt, sie zu tragen“, sagt Dincer. Er vergleicht das Tragen von Smart-Ringen und ähnlichen Wearables mit einem regelmäßigen Check der Blutwerte oder dem Wahrnehmen von Vorsorge-Untersuchungen. Noch ist der Nutzen von Wearables aber nicht in Langzeitstudien belegt.
Prof. Dr. Petra Jansen, Sportpsychologin und Leiterin des Lehrstuhls für Sportwissenschaft der Universität Regensburg, sieht das Thema Wearables kritischer. Sie verweist auf die Studienlage: Manche Untersuchungen zeigen, dass Wearables die Motivation und dadurch die Fitness von Nutzenden steigern, andere zeigen aber auch Gefahren der smarten Begleiter.
„Durch das Tragen der Fitnesstracker kann die Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Wenn die Ergebnisse allerdings negativ sind, man also die Ziele nicht erreicht, kann sich das negativ auf die Selbstwirksamkeit und auch auf die Psyche auswirken“, so Jansen. Eine Studie, die 2017 mit Schulklassen durchgeführt wurde, zeigte zum Beispiel, dass die Selbstkontrolle und der Vergleich von Gesundheitsdaten zu Schuldgefühlen, Druck und Konkurrenzdenken führen kann.
Das Nachverfolgen der eigenen Gesundheitsdaten kann – muss aber nicht – zu einem Suchtverhalten führen und das ganze Verhalten beeinflussen.
„Das Nachverfolgen der eigenen Gesundheitsdaten kann – muss aber nicht – zu einem Suchtverhalten führen und das ganze Verhalten beeinflussen“, sagt Sportpsychologin Jansen. „Eine achtsame Nutzung eines Fitnesstrackers würde bedeuten, die Daten zur Kenntnis zu nehmen, ohne sie groß zu bewerten beziehungsweise so zur Kenntnis zu nehmen, dass keine Ab- oder Überbewertung der eigenen Person geschieht.“ Das klinge paradox, weil ein Fitnesstracker ja Leistungen bewertet. „Aber diese Bewertung sollte meiner Meinung nach mehr wie ein Spiel verstanden werden, in welchem man Punkte sammeln kann“, rät die Expertin.
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Wie können Wearables wie Smart-Ringe das Gesundheitswesen beeinflussen?
Wearables haben das Potenzial, eine Schnittstelle zwischen Patient oder Patientin und Ärztin oder Arzt zu sein. Sie liefern Einblicke in individuelle und langfristige Daten. „Diese Daten können dabei helfen, Krankheiten schneller zu diagnostizieren – sogar, bevor sich die Symptome zeigen. Das kann das Gesundheitssystem entlasten“, sagt Dincer.
Neben der Prävention sind Wearables laut Dincer auch eine große Hilfe für kranke oder ältere Menschen. Teilweise erkennen sie akute Notfälle oder Stürze und informieren Angehörige oder setzen einen Notruf ab. Auch spannend: Universitätskliniken testen Fitnesstracker, um Vitalparameter nach Operationen zu überwachen, ohne die Patienten zu sehr einzuschränken.
Lohnt sich der Kauf eines Smart-Rings?
„Beim heutigen Stand würde ich sagen: Ob Ring oder Watch, ist ziemlich egal“, sagt Can Dincer. Wichtiger sei es, überhaupt ein Wearable zu tragen. Denn das, so Dincer, lohne sich für alle. Petra Jansen steht dem Ganzen etwas skeptischer gegenüber und warnt, sich zu sehr von der Datenerhebung kontrollieren zu lassen.
Ein Wearable wie ein Smart-Ring kann also eine gute Idee sein, um sich fit und gesund zu halten, selbstgesteckte Ziele zu verfolgen und womöglich Daten für eine spätere Diagnose zu sammeln. Aber: Wer sich unter Druck gesetzt fühlt, zum Beispiel nachts noch einmal aufzustehen, um ein Schrittziel zu erreichen oder sich von einer schlechten Schlafbewertung herunterziehen lässt, sollte die Nutzung überdenken.
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